Nach meinem Masterstudium der Interkulturellen Germanistik, das ich im Herbst 2015 aufgenommen hatte, habe ich meine berufliche Laufbahn 2019 als Associate Consultant bei PwC Shanghai begonnen, wo ich an strategischen Beratungsprojekten für den öffentlichen Sektor gearbeitet habe. Dabei lag der Fokus auf Themen wie Stadtentwicklung und nachhaltiger, kohlenstoffarmer Wirtschaft. Drei Jahre später wechselte ich zu Boston Consulting Group (BCG) als „Transformation Specialist“, um anspruchsvollere Aufgaben in der strategischen Beratung zu übernehmen. Derzeit unterstütze ich Kunden aus verschiedenen Bereichen, darunter große Industrieunternehmen (wie z.B. Immobilien, Logistik, Energie und Biopharma), internationale Organisationen und Entwicklungsbanken sowie lokale Behörden, mit einem Fokus auf Klima und Nachhaltigkeit, Stadt- und Industrieentwicklung sowie Unternehmensstrategie und Transformationsprojekte.

Die Pandemie, die Klimakrise und geopolitische Spannungen haben die Geschäftslandschaft weltweit verändert und den Bedarf an nachhaltigen, anpassungsfähigen Geschäftsmodellen und Resilienz verstärkt, um flexibel auf ein zunehmend unsicheres globales Umfeld zu reagieren. Besonders führende Unternehmen suchen verstärkt nach neuen Partnerschaften und entwickeln einzigartige, zukunftsfähige Wertangebote, um komplexe Probleme zu lösen und die Ressourcen der gesamten Wertschöpfungskette effizienter zu nutzen. Häufige Fragen sind under anderen:

  • Wie können wir uns auf die Nachhaltigkeit/Unsicherheit vorbereiten und gleichzeitig neue Vorteile im Wettbewerb gewinnen?
  • Wie gestalten wir die Transformation von traditionellen Industrien zu zukunftsfähigen Geschäftsmodellen?
  • Welche Chancen bieten neue Märkte und Technologien, und wie können wir diese effektiv erschließen?

In meiner Rolle in der Consulting-Firma bin ich häufig für die Bearbeitung eines eigenständigen Moduls innerhalb eines größeren Projekts verantwortlich. Ein typisches Projekt beginnt oft mit einer intensiven Analysephase: Ich führe Literatur- und Datenrecherchen durch, um den Markt, die Wettbewerbssituation und kurz- und langfristige Megatrends zu verstehen. Darauf basierend entwickle ich gemeinsam mit meinem Team erste Hypothesen und arbeite an der Strukturierung der zentralen Fragestellungen. Im weiteren Verlauf nutze ich Ressourcen wie Datenbanken und Expertennetzwerke, suche nach Best-Practice-Beispielen, und führe Stakeholder-Interviews oder Branchenstudien. Ziel ist es, fundierte Einsichten zu generieren und diese in konkrete Handlungsempfehlungen zu übersetzen. Dabei gestalte ich nicht nur Inhalte, sondern bin auch für die Abstimmung mit Kunden und die Präsentation von Zwischenergebnissen zuständig, um Feedback einzuholen und die Module iterativ weiterzuentwickeln.

Für diese Art von Arbeit sind mehrere eng miteinander verknüpfte Fähigkeiten erforderlich:

  • Strategisches Denken: Die Fähigkeit, langfristige Geschäftsstrategien zu entwickeln und verschiedene Marktbedingungen und Trends zu berücksichtigen, ist ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit. Dazu gehört auch ein ausgeprägtes „betriebswirtschaftliches Verständnis“, das mir hilft, in wirtschaftlich dynamischen Kontexten schnell Lösungen zu finden.
  • Problemanalyse und Datengestützte Entscheidungsfindung: Es geht weniger um das Strukturieren großer Datenmengen, sondern vielmehr um das Verstehen des Kontextes und das Stellen der richtigen Fragen. Dazu gehört auch, komplexe Fragestellungen in klar definierte Teilfragen zu zerlegen und die relevanten Daten systematisch zu sammeln, zu validieren und zu analysieren, um fundierte Einsichten zu gewinnen.
  • Kommunikations- und Umsetzungsfähigkeit: Bei der Präsentation von Ergebnissen geht es nicht nur darum, Lösungen zu präsentieren, sondern auch den Kontext und die zugrunde liegenden Fragestellungen klar zu vermitteln. Die Fähigkeit, das Verständnis für den Kontext und die Problemstellung klar und überzeugend zu erklären, ist entscheidend, um eine erfolgreiche Umsetzung zu ermöglichen und mit den Stakeholdern auf einer gemeinsamen Grundlage zu arbeiten.
  • Effiziente Projektsteuerung und Wissensreflexion: In der Beratung werden Projekte mit klaren Prioritäten und Methoden gesteuert. Ein häufig angewandter Ansatz ist das „20/80-Prinzip“, bei dem man sich auf die 20% der Aufgaben konzentriert, die 80% des Ergebnisses ausmachen. Ein weiteres effektives Vorgehen ist, sich am Ende eines Projekts regelmäßig die drei wichtigsten Learnings zu fragen – dies hilft, sowohl die eigene Arbeit kontinuierlich zu verbessern als auch den Nutzen für künftige Projekte zu maximieren.

Meine akademische Erfahrung in Interkultureller Germanistik hat mir vor allem eine Denkweise vermittelt, die offene Haltung zu Fremden, das Bewusstsein zum Perspektivenwechsel und die Fähigkeiten kombiniert, komplexe Zusammenhänge aus verschiedenen Blickwinkeln zu analysieren. Besonders hilfreich waren dabei sozialwissenschaftliche Auseinandersetzungen, die mir fundierte Kenntnisse in qualitativer Analyse vermittelt haben – eine Fähigkeit, die ich in meiner Masterarbeit auch vertieft habe. Darüber hinaus habe ich im Rahmen eines Praktikums im interkulturellen Kompetenzzentrum an der Universität  wertvolle Erfahrungen in der praktischen Interaktion mit Menschen (damals vor allem Erasmus-Student*Innen) gesammelt. Dies hat mir geholfen, Bedürfnisse besser zu verstehen und maßgeschneiderte Unterstützungsstrategien zu entwickeln.

Der Übergang in die Beratungsbranche war ein Lernprozess, der mich zunächst vor Herausforderungen stellte. Die Branche ist offen für eine Vielzahl von akademischen Hintergründen, was mir den Einstieg ermöglichte und den Weg für meine berufliche Weiterentwicklung ebnete. Allerdings waren für meine Arbeit spezifische Fähigkeiten wie betriebswirtschaftliches Verständnis und Datenanalyse notwendig, die in meinem Studium nicht im Vordergrund standen. Diese Fähigkeiten habe ich mir durch zusätzliche Selbststudien und praktische Übungen angeeignet, unterstützt durch Mentoring und Coaching, um kontinuierlich Feedback zu erhalten und mich weiterzuentwickeln. Ich bin davon überzeugt, dass es in der schnelllebigen und sich ständig verändernden Welt wichtig ist, die eigene Wissens- sowie Erkenntnisbasis kontinuierlich zu erweitern, um auf neue Entwicklungen reagieren zu können und Lösungen für zukünftige Herausforderungen zu finden.

Obwohl die Anwendung mancher Kenntnisse (beispielsweise Sprachkenntnisse) aus der Interkulturellen Germanistik in meiner aktuellen Tätigkeit bisher nur wenig erforderlich war, bin ich überzeugt, dass die Puzzleteile sich letztlich miteinander verbinden werden.

Ich möchte mich herzlich bei den Universitäten in Göttingen und Peking für ihre Zusammenarbeit bedanken, die mir wertvolle Einblicke und Perspektiven eröffnet hat.