Mit diesen zunächst vermeintlich merkwürdig zueinanderstehenden Überlegungen ließe sich das Sammelbecken der Meinungsverschiedenheiten auf eine griffige Gesamtformel bringen, über welche im Theaterstück Das Gesicht Chiang Kai-sheks von Anfang bis Ende im Wechselbad der Gefühle diskutiert wird. Dabei kommt immer wieder zum Ausdruck: Manchmal trügt der Schein.

Chiang Kai-shek selbst, der 1943 zum Präsidenten der Nationalen Zentralen Universität (der damaligen Nanjing University) ernannt wurde, zeigt sich im Vorlauf der Ereignisse um das Schaustück felsenfest davon überzeugt, drei Professoren des Departments of Chinese Literature and Language zum feierlichen Silvesteressen eingeladen zu haben. Dies wiederum brachte ebenjene, namentlich Xia Xiaoshan, Shi Rendao und Bian Congzhou, in eine sehr missliche Lage. Sie stritten untereinander einen ganzen Nachmittag lang darüber, ob sie Chiang Kai-shek „dieses Gesicht“ (sprich der Einladung zu folgen) geben sollten. Gut 24 Jahre später schaltet sich die Justiz ein, das Echo der Einladung wird zur Klagesache.

Inspiriert durch jenes Geschehnis nimmt die fiktive Handlung des Bühnenwerks den besagten Streit der drei Hochschullehrer an einem Sommertag im Jahr 1967 in Nanjing als Handlungsfeld, wobei es dem Publikum frischweg entrollt, was an dem nebelhaften Winternachmittag 1943 in Chongqing passierte. Ein Versuch, viele Jahre später das Haar in der Suppe zu finden…

Zunächst von vorne nach hinten – eine waschechte Campus-Legende entwirrt sich?

Und das haargenau dort, wo sie begonnen hat, nämlich im ganz intimen Kreis der drei Handlungsträger, die in zwei verschiedenen Zeitsphären für ihre Sicht der Dinge argumentieren: Alle drei müssen 1967 bei einer Begebenheit erneut ansetzen, welche sie im Jahre 1943 vielleicht lieber ganz vergessen hätten. Der titelgebende Chiang Kai-shek hingegen wird nahezu zum Telegrafenschlüssel der Komödie Wen Fangyis, denn er taucht nie persönlich auf und gießt trotzdem vermöge der verschiedenen (Über-)Zeichnungen seiner Person durch die Hochschullehrer reichlich Öl ins Feuer. Den sich jeweils um die eigene Achse drehenden Kosmos unserer drei ,Streithähne‘ fangen die sparsam gewählten Handlungsorte passend ein – das Teehaus bedeutet vorliegend in keiner Weise eine Metapher für Idylle, Ruhe oder Einkehr. In Shi Rendaos Behausung liegen bereits vier Kissen aus, dort treiben die Ereignisse schließlich dem Höhepunkt entgegen. Shis Ehefrau hat als einzige weitere Figur oft ihr schwieriges Auskommen mit den Herren.

Im Spannungsfeld der Narrative

Die Chronik verselbstständigt sich. Das, was für unsere Protagonisten aussprechbar wird, ist aufgrund des Versionenreichtums nicht automatisch für diese beherrschbar. Häufig fragt man sich deshalb, wie sich der Schwall an nimmermüder Uneinigkeit denn beruhigen ließe. Wenn die Sprache an der Festgefahrenheit der Situation zum Stocken kommt und die Dinge aus dem Ruder zu laufen drohen, fliegen auch schon mal die Mah-Jongg Steine genauso wild umher wie die versatzstückhaften Erinnerungen der Professoren.

Die aufgewirbelte Ausgangslage hält sich also wacker, wobei sich die Reise in die Vergangenheit nicht nur als undurchsichtig darstellt, sondern darüber hinaus beweist: Die Frage nach dem ,Einst‘ ist und bleibt eine verantwortungsvolle Frage, welche nichtsdestotrotz beantwortet werden möchte, schwimmt sie doch für gewöhnlich auf die ein oder andere Art und Weise nach oben ans Tageslicht. Natürlich wird die Inszenierung durch das Bühnenbild mitgetragen und vielleicht überhaupt erst richtig zum Leben erweckt, aber auch die Kulisse des Veranstaltungsortes, die Schauspieler oder das Publikum können etwas sehr Erinnerungswürdiges mit sich bringen.

Deshalb zur Vorfreude:

Unsere Nanjinger-Studierendengruppe hatte Gelegenheit, das Bühnenspiel während einer Live-Aufführung anzusehen. Im Folgebeitrag helfen sie uns mit ihrer Perspektive etwas Licht ins Dunkel zu bringen sowie die Stimmen und Gesichter dieser Begegnung einzufangen! Obendrein dürfen wir uns auf eine sehr ansprechende Sightseeing-Tour freuen, die mit und um den Ausflug herum entstanden ist.

2012年,南京大学建校110周年之际,根据当时中大校长蒋介石邀请中文系教授吃饭这一校园传说撰写而成的《蒋公的面子》诞生了。

1943年,蒋介石初任中央大学校长,邀请中文系三位知名教授夏小山、时任道、卞从周共进年夜饭,这使教授们非常为难,他们争吵了一个下午:给不给蒋公这个面子呢?

1967年,在文革中,三位教授为此事遭受审查,他们对是否受到蒋介石邀请和是否赴过蒋介石的宴席各有不同的回忆。《蒋公的面子》以被打成“牛鬼蛇神”的三位中文系教授关于当年是否接受了蒋介石邀请赴宴的争辩为线索,串联回忆1943年重庆的那个下午,逐渐剥开笼罩数十年前事实的迷雾。